Ein Blogbeitrag von Laura Grözinger

Der Barfuss-Trend: Freiheit für die Füsse
Wer kennt es nicht – die Füsse eingezwängt in enge Schuhe, manchmal sogar mit hohen Absätzen. Doch immer mehr Menschen entdecken das Barfusslaufen für sich, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder als Akt der Befreiung. Aber ws steckt wirklich hinter diesem Trend? Ist Barfusslaufen nur eine Modeerscheinung oder gibt es wissenschaftliche Gründe dafür? In diesem Beitrag tauchen wir tief in die Geschichte, Wissenschaft und die Auswirkungen des Barfußgehens ein.
Von der Evolution bis Heute: Die Geschichte des Barfussgehens
Millionen Jahre lang liefen unsere Vorfahren barfuss durch die Welt. Keine Nikes, keine High Heels, nicht einmal Sandalen. Mit 26 Knochen, 33 Gelenken und über 100 Muskeln, Sehnen und Bändern sind unsere Füsse wahre Wunderwerke der Natur, perfekt für das Laufen und Gehen auf verschiedensten Untergründen, sie entwickelten sich zu stablen, aber flexiblen Strukturen, die uns nicht nur das Gehen und Laufen, sondern auch das Springen, Klettern und Balancieren ermöglichen.


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Der Homo Erectus und das Barfusslaufen
Vor etwa 2 Millionen Jahren trat der Homo erectus in der Evolution des Menschen auf,. Der Homo erectus war der erste unserer Vorfahren, der sich nicht nur durch seine Fortbewegung auf zwei Beinen, sondern auch durch seine anatomischen Anpassungen an das Laufen auszeichnete. Fossile Funde zeigen, dass Homo erectus im Vergleich zu seinen Vorgängern wie dem Australopithecus über eine deutlich längere und schlankere Körperstruktur verfügte, mit einem grösseren Hirnvolumen und längeren Beinen. Diese Merkmale deuten darauf hin, dass der Homo erectus ein effizienter Langstreckenläufer war.
Die Evolution des Homo erectus führte zu einem komplexen Zusammenspiel von körperlichen Anpassungen, die das Laufen begünstigten. Dazu gehören ein gut entwickelter Fersenbein, eine elastische Achillessehne und ein gewölbtes Fussskelett, das als Stossdämpfer dient. Diese anatomischen Merkmale ermöglichten es Homo erectus, Energie effizient zu nutzen und den Energieaufwand während des Laufens zu minimieren. Daniel Lieberman. renommierter Paläontologe und Biologe der Harvard Universität, und andere Forscher argumentieren, dass diese Fähigkeit, lange Strecken zu laufen, in unserer Evolution entscheidend war. Sie ermöglichte es Homo erectus, nicht nur effektiv Beute zu jagen – eine Jagdstrategie, die als "Ausdauerjagd" bekannt ist – sondern auch grosse Entfernungen zu überwinden, um neue Lebensräume zu erschliessen.
Zusätzlich zur Jagd spielte das Laufen wahrscheinlich eine wichtige Rolle bei der Thermoregulation. Homo erectus hatte im Gegensatz zu früheren Hominiden eine geringere Körperbehaarung und eine größere Anzahl von Schweissdrüsen, die es ihm ermöglichten, effektiv zu schwitzen und sich bei anstrengenden Aktivitäten abzukühlen. Die Kombination aus Ausdauer und der Fähigkeit zur Thermoregulation machte Homo erectus zu einem Meister der Langstrecke, der sich barfuss über die Savannen Afrikas bewegte und in der Geschichte der Menschheit neue Wege erschloss.
Die Entwicklung des Homo erectus markiert somit einen Wendepunkt in der Evolution des Menschen, bei dem das Laufen zu einem zentralen Aspekt unseres Überlebens und unserer Anpassungsfähigkeit wurde. Diese evolutionären Fortschritte legten den Grundstein für die späteren Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte und die Bedeutung des Barfusslaufens als natürliche Fortbewegungsform.
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Menschenaffen und ihre "Barfuss-Expertise"
Auch Unsere nächsten Verwandten im Tierreich, die Menschenaffen (Hominidae), bieten uns faszinierende Einblicke in die Funktion und Flexibilität der Füsse ohne den Einfluss von Schuhen. Zu dieser Familie gehören Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, deren anatomische Merkmale speziell an ihre Lebensweise angepasst sind. Ihre Füsse sind im Vergleich zu menschlichen Füssen flexibler und in vielerlei Hinsicht greifbarer, was auf die evolutionären Anforderungen ihrer natürlichen Umgebung zurückzuführen ist.
Bei Schimpansen (Pan troglodytes) beispielsweise sind die Füsse so konzipiert, dass sie fast wie zusätzliche Hände fungieren. Dies wird durch den opponierbaren grossen Zeh ermöglicht, der ähnlich wie ein Daumen funktioniert und es den Schimpansen erlaubt, Äste zu greifen und sich effizient durch das Blätterdach des Dschungels zu bewegen. Ein anschauliches Beispiel für diese bemerkenswerte Greiffähigkeit ist ein kürzlich populär gewordenes Meme, das einen Schimpansen zeigt, der in jedem seiner Füsse (wie auch in den Armen mehrere und im Mund) eine Orange trägt. Dieses Bild zeigt auf humorvolle Weise, wie beeindruckend die Greifkraft und Geschicklichkeit der Menschenaffenfüsse sein kann.
Die Füsse der Menschenaffen sind mit einem robusten und dennoch flexiblen Knochengerüst ausgestattet, das durch ein Netz aus Muskeln, Sehnen und Bändern unterstützt wird. Dieses Netzwerk ermöglicht eine beeindruckende Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit an verschiedene Oberflächen. Die Fussmuskulatur ist so ausgebildet, dass sie sowohl Kraft als auch Präzision bietet, was für das Greifen von Ästen und das Klettern in komplexen Strukturen unerlässlich ist. Darüber hinaus verfügen Menschenaffen über eine ausgeprägte sensorische Wahrnehmung in ihren Füssen, was ihnen erlaubt, ihren Griff und ihre Bewegungen auf den Untergrund abzustimmen und so ihr Gleichgewicht zu halten.





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Füsse im Wandel: Vom Baumkletterer zum Langstreckenläufer
Während der menschliche Fuss sich im Laufe der Evolution von dieser Greiffunktion entfernt hat und sich stattdessen auf eine effizientere Fortbewegung auf dem Boden spezialisiert hat, bleibt dennoch eine bemerkenswerte Menge an Kraft und Geschicklichkeit in unseren Füssen (sofern wie sie trainieren) erhalten. Die Anpassung des menschlichen Fusses an das Laufen und Gehen ist mit einer Verlagerung des Schwerpunktes und einer stärkeren Betonung der Stabilität verbunden, was zu einer Versteifung des grossen Zehs und einer Reduzierung der Greiffähigkeit führte. Trotzdem zeigt der menschliche Fuss immer noch eine hohe Komplexität, die es uns ermöglicht, auf verschiedensten Untergründen zu gehen und zu laufen.
Moderne Schuhe, mit ihrer Dämpfung und Unterstützung, haben jedoch dazu geführt, dass der Grossteil der Menschen die natürliche Geschicklichkeit und Kraft ihrer Füsse im Alltag nicht mehr voll ausschöpfen. Jahrzehntelanges Tragen starrer Schuhe kann zu einer Verkümmerung der Fussmuskulatur und einer Einschränkung der Beweglichkeit führen. Dennoch bleibt das Potenzial in unseren Füssen vorhanden. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die barfuss gehen oder minimalistisches Schuhwerk tragen, eine deutlich grössere Fusskraft und eine bessere Sensomotorik aufweisen. Unsere Füsse sind immer noch in der Lage, sich an eine Vielzahl von Umgebungen und Aufgaben anzupassen – sie benötigen lediglich die Gelegenheit und das Training, um ihre natürliche Funktion wieder zu erlangen.
Vom Schutz zur Mode: Die Geschichte des Schuhwerks
Die ältesten bekannten Schuhe stammen aus der Zeit vor etwa 10.000 Jahren. Diese frühen Fussbekleidungen waren rudimentär, meist aus Leder oder Bast gefertigt, und dienten in erster Linie dem Schutz vor rauen Umgebungen und klimatischen Bedingungen. Sie waren keineswegs dazu gedacht, den Fuss zu stützen oder seine natürliche Bewegung zu verändern. Mit der Entwicklung der Zivilisationen änderte sich jedoch auch die Schuhmode. In alten Kulturen wie Ägypten und Griechenland wurden Sandalen getragen, die einfach und funktional waren. Sie schützten die Füsse vor Hitze und rauem Gelände, liessen aber immer noch viel Bewegungsfreiheit. Die Griechen verehrten übrigens das Barfussgehen. Athleten traten bei den Olympischen Spielen ohne Schuhe an, um ihre Geschwindigkeit und Agilität zu demonstrieren. Es war ein Symbol für Mut und Ausdauer. Barfussgehen wurde als natürlich und gesund angesehen, und man glaubte, es stärke den Geist und den Körper.
Mit der Zeit wurden Schuhe immer ausgefeilter. Die Römer erfanden den genagelten Schuh, der den Soldaten half, auf langen Märschen stabilen Halt zu finden. Im Mittelalter begannen Schuhe, auch modische Statements zu setzen. Im 20. Jahrhundert wurden Schuhe dann schliesslich mit Absätzen, starker Dämpfung und Stützelementen versehen, die unseren natürlichen Gang drastisch veränderten. Die heutigen Schuhe mit Fersensprengung und starker Dämpfung zwingen uns dazu, mit der Ferse zuerst aufzutreten, was unsere Gangart beeinflusst und den Aufprall auf unsere Gelenke erhöht. Professoren wie Daniel Lieberman haben gezeigt, dass dieser "Fersenauftritt" eine unnatürliche Gangart ist, die zu einer erhöhten Belastung der Knie, Hüften und der Wirbelsäule führen kann.



Wie moderne Schuhe unsere Füsse einschränken und deformieren
Moderne Schuhe, insbesondere modische Frauenschuhe wie High Heels und Ballerinas, sind nicht nur ästhetisch problematisch, sondern auch aus orthopädischer Sicht äußerst schädlich für die Füße und den gesamten Bewegungsapparat. High Heels, die oft als Inbegriff von Eleganz gelten, bringen den Fuß in eine unnatürliche Position. Die hohe Ferse bewirkt eine Plantarflexion, also eine Beugung des Fußes nach unten, wodurch das Gewicht des Körpers ungleichmäßig verteilt wird. Statt gleichmäßig auf dem gesamten Fuß zu ruhen, wird das Gewicht auf den Vorfuß verlagert. Dies führt zu einer Überlastung der Mittelfußknochen und erhöht den Druck auf die Zehengelenke.


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Die Folgen der High Heels
Die biomechanischen Auswirkungen des Tragens von High Heels sind gut dokumentiert. Die erzwungene Haltung des Fußes führt zu einer Verkürzung der Wadenmuskulatur und der Achillessehne, was langfristig die natürliche Beweglichkeit des Fußes und des Sprunggelenks einschränkt. Ein verkürzter Achillessehnen-Komplex kann die Gangart verändern und das Risiko von Sehnenentzündungen und Muskelverspannungen erhöhen.
Zudem verändert sich die Kinematik des Gangs: Der Körperschwerpunkt wird nach vorne verlagert, wodurch eine Hyperlordose, also ein verstärktes Hohlkreuz, in der Lendenwirbelsäule entsteht. Diese Veränderungen können zu chronischen Rückenschmerzen und einer erhöhten Belastung der Kniegelenke führen.
Ein weiteres Problem, das mit dem Tragen von High Heels assoziiert wird, ist die Entwicklung des Hallux valgus, einer Fehlstellung der Grosszehe. Durch die enge und spitz zulaufende Form vieler High Heels wird der Vorfuss komprimiert, wodurch die Grosszehe nach außen gedrückt wird. Diese Deformation kann nicht nur schmerzhaft sein, sondern auch die natürliche Abrollbewegung des Fusses stören und die Stabilität beim Gehen beeinträchtigen.
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Die Enge moderner Schuhe und ihre Folgen
Ein weiteres häufiges Problem moderner Schuhe, insbesondere bei Frauenschuhen, ist die Enge. Viele modische Schuhe, wie auch Ballerinas, sind im Zehenbereich schmal geschnitten, was zu einer Kompression der Zehen führt. Diese erzwungene Position kann die natürliche Zehenspreizung verhindern und die Entwicklung von Fehlstellungen wie Hammerzehen oder Krallenzehen begünstigen. Langfristig kann die ständige Einengung auch zu einer Einschränkung der Durchblutung und zu einem Verlust der Sensibilität in den Füßen führen.
Die langfristigen Auswirkungen des Tragens ungesunder Schuhe können erheblich sein und betreffen nicht nur die Füße, sondern den gesamten Bewegungsapparat. Fehlstellungen, Muskelverkürzungen und Gelenkschmerzen sind nur einige der möglichen Folgen. Ein bewusster Umgang mit der Wahl des Schuhwerks und das gezielte Training der Fußmuskulatur können helfen, die natürliche Funktion der Füße wiederherzustellen und die Belastung auf den Körper zu reduzieren.

Aktuelle Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Barfussgehen
Barfussgehen ist ein Phänomen, das von der Natur selbst erdacht wurde und über Millionen von Jahren hinweg perfektioniert wurde, doch in unserer modernen Gesellschaft haben wir uns von dieser Urform des Gehens entfernt und uns in Schuhe gezwängt, die unsere Füsse mehr einschränken als unterstützen. In den letzten Jahren hat die Wissenschaft jedoch (zum Glück für uns!) begonnen, die jahrtausendealten Vorteile des Barfussgehens wiederzuentdecken.




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Fersensprengung
Der schon mehrfach erwähnte Prof. Daniel Lieberman, auch als 'The Barefoot Professor' bekannt, hat die Effekte des Barfussgehens in den Mittelpunkt seiner Studien gestellt. Liebermans Forschung zeigt, dass Menschen, die in stark gepolsterten Schuhen laufen, härter auf dem Boden aufschlagen als diejenigen, die barfuss oder in minimalistischen Schuhen unterwegs sind. Dieser harte Aufprall, der durch die Dämpfung der Schuhe nur teilweise abgefedert wird, kann zu erhöhten Belastungen in den Gelenken führen – ein Problem, das bei Barfussläufern deutlich seltener auftritt. Dieses Phänomen scheint zunächst paradox, wird bei genauerer Betrachtung jedoch verständlich.
Der härtere Aufprall beim Gehen bei Menschen, die regelmässig in stark gepolsterten Schuhen laufen, ist dadurch zu erklären, dass diese Schuhe dazu verleiten, mit der Ferse zuerst auf den Boden zu treten, ein Vorgang, der als "Fersenschlag" bekannt ist. Die Dämpfung in modernen Schuhen sorgt für ein Gefühl von Komfort, das jedoch trügerisch ist. Sie ermöglicht es, mit mehr Kraft auf den Boden aufzuschlagen, da die Polsterung den unmittelbaren Schmerz oder das unangenehme Gefühl abmildert, das sonst auftreten würde. Der natürliche Gang des Menschen ist eigentlich darauf ausgelegt, den Aufprall zu minimieren, indem man über den Mittelfuss oder Vorfuss aufkommt. Dies führt zu einem sanfteren, fliessenden Bewegungsablauf.
Wenn man barfuss oder in minimalistischen Schuhen läuft, wird man gezwungen, eine sanftere Landung zu entwickeln, da die fehlende Dämpfung einen härteren Aufprall sofort spürbar macht und unangenehm ist. Dadurch lernt der Körper, den Aufprall über die natürliche Federung des Fusses und die Muskelkraft abzufedern. Beim Fersenschlag hingegen wird der Aufprall direkt in die Ferse geleitet und dann durch die Gelenke, besonders das Knie, die Hüfte und die Wirbelsäulengelenke, weiter nach oben übertragen. Dies kann zu einer dreifachen Erhöhung der Belastung führen, wie Prof. Daniel Lieberman in seinen Studien gezeigt hat. Diese erhöhte Belastung kann über die Zeit zu Gelenkproblemen und Schmerzen führen, da der Körper den zusätzlichen Druck absorbieren muss.
Menschen, die in gepolsterten Schuhen laufen, gewöhnen sich oft an diese Gangart, da die Dämpfung die Notwendigkeit, den Aufprall zu minimieren, überflüssig macht. Sie lernen nicht, sanft über den Ballen oder die Seite des Fusses abzurollen. Stattdessen entsteht eine Art "Stampfen", das durch die Polsterung des Schuhs abgefedert wird, aber den natürlichen Bewegungsablauf und die Muskulatur des Fuses verkümmern lässt. Barfusslaufen oder das Tragen minimalistischer Barfussschuhe erfordert und fördert hingegen eine bewusste und kontrollierte Gangart über den Ballen. Der Ballengang ist die angeborene, natürliche und gesunde Gehweise des Menschens. Menschen in ungedämpften Schuhen können lernen, den Fuss sanft und leise auf den Boden zu setzen, was die Belastung auf die Gelenke reduziert und die natürliche Muskulatur stärkt. Es ist ein Prozess des Wiederlernens, des Zurückkehrens zu einer sanften, fliessenden Bewegung, die in der Evolution des Menschen tief verwurzelt ist.
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Ein Vergleich
Stell dir vor, du würdest ein Jahr lang feste Handschuhe tragen, die deine Fingerbewegungen stark einschränken. Glaubst du, dass dies die Beweglichkeit deiner Finger beeinflussen würde? Und dass auch deine Unterarme, Arme und Schultern in Mitleidenschaft gezogen würden? Wahrscheinlich würdest du annehmen, dass dies ungesund für deinen Bewegungsapparat und die neurologischen Verbindungen zu den Muskeln ist. Wenn das so offensichtlich ist, warum sperren wir dann unsere Füße täglich in enge Schuhe und Socken ein, oft über Jahrzehnte hinweg? Dadurch verlieren wir die Fähigkeit, den Untergrund zu spüren und die Natur wirklich zu erleben. Unsere Füße werden so empfindlich, dass jeder Kontakt mit unebenem oder natürlichem Boden schmerzhaft wird.
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Das Meisterwerk Fuss
Unsere Füße sind ein Meisterwerk der Evolution, mit erstaunlicher Komplexität und Funktionalität. Mit 26 Knochen, 33 Gelenken und über 100 Muskeln, Sehnen und Bändern stellen sie ein biomechanisches Wunderwerk dar, das es uns ermöglicht, zu gehen, zu laufen, zu springen und zu balancieren. Sie sind so konzipiert, dass sie sich an verschiedenste Untergründe anpassen und die Last des gesamten Körpers tragen können. Doch in der modernen Welt haben wir diese Kunst der Fußmuskulatur weitgehend verlernt.
Die Muskeln in unseren Füssen sind in zwei Hauptgruppen unterteilt: die intrinsischen und die extrinsischen Fußmuskeln. Die intrinsischen Muskeln liegen innerhalb des Fusses und sind für die feinen Bewegungen und die Stabilisierung des Fussgewölbes verantwortlich. Sie sorgen dafür, dass der Fuß auf unebenem Terrain Stabilität bietet und wirken wie Stoßdämpfer, indem sie den Aufprall auf den Boden abfedern. Die extrinsischen Muskeln, die ihren Ursprung im Unterschenkel haben und in den Fuß hineinziehen, sind für größere Bewegungen wie das Abrollen des Fußes beim Gehen und Laufen zuständig.
Schuhe mit starker Dämpfung und Unterstützung, wie sie heute weit verbreitet sind, nehmen dem Fuss die Notwendigkeit, seine eigene Muskulatur zu benutzen. Die intrinsischen Muskeln, die das Fussgewölbe aufrechterhalten und die Stabilität des Fußes gewährleisten, verkümmern, weil sie durch die künstliche Unterstützung der Schuhe nicht mehr gefordert werden. Diese Verkümmerung der Fussmuskulatur hat weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Körper. Ein schwaches Fussgewölbe kann zu Überpronation führen, einer übermässigen Einwärtsdrehung des Fusses, die sich auf Knie, Hüfte und sogar die Wirbelsäule auswirken kann. Die natürliche Stossdämpfungsfunktion der Füsse wird durch das Barfussgehen trainiert und erhalten, was dazu beiträgt, die Belastung auf die Gelenke zu reduzieren und das Risiko von Verletzungen zu minimieren.





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Die Bedeutung des Barfussgehens in der Kindheit
Insbesondere bei Kindern und in der Babyphase ist das Barfussgehen von grosser Bedeutung. In den ersten Lebensjahren entwickelt sich das Fussgewölbe erst allmählich, und der Fuss ist anfangs noch flach, da das Fettpolster an der Fusssohle eine natürliche Dämpfung bietet. Diese Phase ist entscheidend, da der Fuss des Kindes erst mit der Zeit durch das Krabbeln, Stehen und schliesslich das Laufen die notwendige Muskulatur und Stabilität aufbaut. Wenn Kinder in zu früh stützende oder stark gedämpfte Schuhe gesteckt werden, kann dies die natürliche Entwicklung der Fussmuskulatur und der Bänder beeinträchtigen.
Studien zeigen, dass das Barfusslaufen bei Kindern die Entwicklung eines gesunden Fussgewölbes und die Kräftigung der intrinsischen Fussmuskulatur fördert. Die sensorischen Rückmeldungen, die Kinder beim Barfussgehen erhalten, sind entscheidend für die Entwicklung des Gleichgewichts und der Propriozeption – also des inneren Gefühls für die Position der Gliedmassen im Raum. Diese sensorischen Erfahrungen tragen zur Ausbildung eines funktionalen Gangmusters bei, indem sie dem Nervensystem helfen, Bewegungen zu koordinieren und die Muskulatur angemessen zu aktivieren.
Eine Untersuchung des "Barefoot LIFE Project" fand heraus, dass barfuss laufende Kinder und Jugendliche eine signifikant bessere Fussmechanik aufweisen als ihre beschuhten Altersgenossen. Regelmässiges Barfussgehen fördert die Entwicklung eines gesunden Fussgewölbes und legt damit die Grundlage für eine bessere Haltung und einen gesunden Bewegungsapparat im späteren Leben. Darüber hinaus zeigte eine Studie von Franklin et al., dass das Training in minimalistischen Schuhen über einen Zeitraum von vier Monaten zu einer Verbesserung der Balance und Fusskraft führte. Diese Faktoren sind entscheidend für ein funktionales Gangmuster und die Prävention von Stürzen, insbesondere bei älteren Erwachsenen.
Indem wir Kindern die Möglichkeit geben, barfuss zu laufen und verschiedene Untergründe zu erkunden, unterstützen wir die natürliche Entwicklung ihrer Füsse und fördern ihre motorischen Fähigkeiten. Dies trägt dazu bei, dass sie eine bessere Körperhaltung, Koordination und Balance entwickeln. Es ist daher ratsam, Kinder so oft wie möglich barfuss laufen zu lassen, um eine gesunde und natürliche Fussentwicklung zu fördern und damit langfristig den Bewegungsapparat zu stärken.
Die Wiederentdeckung der natürlichen Bewegung
Barfussgehen ist wie ein Fitnessstudio für die Füsse. Es trainiert die vielen kleinen Muskeln, die in modernen Schuhen verkümmern, und trägt dazu bei, das Fussgewölbe zu stärken und die natürliche Bewegungsdynamik des Fusses zu erhalten. Es fördert die Mobilität und Stabilität und kann dazu beitragen, Schmerzen und Verletzungen vorzubeugen, indem es den Körper wieder in seine natürliche Balance bringt.
Die moderne Wissenschaft bestätigt, was unsere Vorfahren schon lange wussten: Unsere Füsse sind dazu gemacht, zu fühlen, zu greifen und uns auf eine natürliche, dynamische Weise zu bewegen. Wenn wir uns die Zeit nehmen, diese vergessene Kunst der Fussmuskulatur wieder zu erlernen, können wir nicht nur die Gesundheit unserer Füsse, sondern unseres gesamten Körpers verbessern. Es ist eine Rückkehr zur Natürlichkeit und eine Einladung, die Welt mit neuen, alten Augen zu sehen – von ganz unten, auf den eigenen zwei Füßen.


Barfussschuhe als gesunde Alternative
Natürlich ist es nicht immer praktisch, sicher oder hygienisch komplett barfuss zu gehen, besonders in städtischen Umgebungen. Hier kommen Barfussschuhe ins Spiel. Diese Schuhe sind so konzipiert, dass sie die natürliche Bewegung des Fusses ermöglichen und gleichzeitig vor scharfen Gegenständen schützen.
Barfussschuhe sind bekannt für ihre dünne, flexible Sohle, die meist ohne erhöhte Ferse und starke Dämpfung auskommt. Sie ermöglichen dem Fuss eine natürliche Bewegung und aktivieren gezielt die Muskulatur. Zahlreiche Studien belegen, dass das Tragen von Barfussschuhen den Gangstil positiv beeinflusst und die Gelenke entlastet.
Es ist jedoch wichtig, langsam zu beginnen, da ungewohnte Untergründe gerade anfangs unangenehm sein können, besonders wenn der Fuss diese Belastungen nicht gewohnt ist. Ein sicherer Umgang mit Barfussschuhen in jedem Terrain braucht oft Jahre an Anpassung. Daher muss man sich keine Sorgen machen, ab und zu auf herkömmliche Schuhe zurückzugreifen.
Dabei geht es nicht darum, herkömmliche Laufschuhe mit Fersendämpfung zu verteufeln. Sie haben bei Spitzenleistungen ihre Berechtigung, aber es ist sinnvoll, auch mögliche negative Folgen anzusprechen. Ein ausgewogener Ansatz und die Aufklärung über die jeweiligen Vor- und Nachteile sind entscheidend.
Wir sind uns bewusst, dass es nur wenige ästhetisch ansprechende Barfussschuhe gibt. Dies kann jedoch auch als Chance gesehen werden, um bewusst einen Gegenpol zur Oberflächlichkeit der Modeindustrie und gesellschaftlichen Ansprüchen zu setzen – stolz die Wahl für Barfussschuhe zu zeigen.
Für Einsteiger in die Welt der Barfussschuhe gibt es mehrere empfehlenswerte Marken, die durch Qualität und positive Bewertungen überzeugen:
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SAGUARO: Diese Marke bietet preisgünstige Barfussschuhe, die sich besonders für Anfänger eignen. Die Schuhe zeichnen sich durch eine flexible Sohle und ein angenehmes Tragegefühl aus. In Tests wurden sie für ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis gelobt.
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VIVOBAREFOOT: Bekannt für hochwertige Barfussschuhe, bietet Vivo Modelle mit dünnen, flexiblen Sohlen und breiten Zehenboxen, die ein natürliches Laufgefühl fördern. Die Schuhe sind langlebig und in verschiedenen Designs erhältlich.
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Merrell: Mit der "Vapor Glove"-Serie bietet Merrell Barfussschuhe, die sich durch Leichtigkeit und Flexibilität auszeichnen. Sie sind besonders für sportliche Aktivitäten geeignet und bieten ein direktes Bodengefühl.
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Xero Shoes: Diese Marke bietet minimalistische Schuhe mit dünnen Sohlen und breiten Zehenboxen. Sie sind leicht und fördern eine natürliche Fussbewegung, was sie ideal für den Einstieg macht.
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Wildling Shoes: Bekannt für nachhaltige Produktion und natürliche Materialien, bietet Wildling flexible und leichte Barfussschuhe, die sich gut für den Alltag eignen. Sie sind besonders für ihre Bequemlichkeit geschätzt.
Moderne Barfusskulturen
Interessanterweise gibt es auch heute noch Kulturen, die grösstenteils barfuss oder in minimalistischen Schuhen leben. Die Tarahumara in Mexiko zum Beispiel sind für ihre unglaubliche Laufleistung bekannt. Sie laufen regelmässig Distanzen von über 100 Kilometern, oft in einfachen Sandalen aus Reifenresten. Sie haben erstaunlich niedrige Raten von Gelenkproblemen und orthopädischen Beschwerden, was darauf hindeutet, dass ihre natürliche Gangart und der Verzicht auf gepolsterte Schuhe eine Rolle spielen.
Auch in Afrika gibt es viele Stämme, die barfuss laufen. Ihre Füsse sind breiter und flexibler als die der meisten Menschen in westlichen Ländern. Sie haben einen natürlichen, federnden Gang und leiden viel weniger unter Fuss- oder Gelenkschmerzen als Menschen der westlichen Zivilisation. Es ist, als ob ihre Füsse eine Sprache sprechen, die unsere Füsse längst verlernt haben.



Martl Jung ist eine beeindruckende Persönlichkeit, die die Vorteile des Barfussgehens auf extreme Weise demonstriert hat. Bekannt wurde er durch seine Wanderung barfuss über die Alpen, eine herausfordernde Reise, die nicht nur körperliche Ausdauer, sondern auch eine außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit seiner Füsse an verschiedenste Untergründe erforderte. Martl Jung zeigt, dass Barfussgehen nicht nur eine natürliche Fortbewegungsart ist, sondern auch für extreme Bedingungen und bei kühlen Temperaturen geeignet sein kann, wenn der Körper richtig darauf vorbereitet ist.
Ebenso bemerkenswert ist Daniel Lieberman, auch bekannt als "The Barefoot Professor". Als Paläontologe und Biologe hat er nicht nur wissenschaftliche Studien über die Vorteile des Barfußlaufens veröffentlicht, sondern setzt diese Erkenntnisse auch selbst in die Praxis um, indem er regelmäßig Marathons barfuß läuft. Seine Leistungen unterstreichen die Idee, dass der menschliche Fuß, wenn er richtig trainiert ist, auch auf Langstrecken außergewöhnlich leistungsfähig sein kann.
Ein weiteres Beispiel für beeindruckende Barfußleistungen sind Athleten wie Abebe Bikila, der 1960 den olympischen Marathon in Rom barfuß gewann und damit bewies, dass barfüßige Läufer unter den richtigen Bedingungen nicht nur mithalten, sondern auch gewinnen können.

Und jetzt mal ehrlich – wann hat das alles angefangen? Wann wurde der Schuh vom praktischen Schutz zur Stil-Ikone und zum Statussymbol? Wer von uns hat nicht schon einmal in High Heels oder schicken, aber unbequemen Lederschuhen gelitten? Als ob wir uns selbst sagen würden: "Wenn meine Füsse schon den ganzen Tag leiden müssen, dann wenigstens in Stil!"
Es ist fast so, als hätten wir uns kollektiv dafür entschieden, unsere Füsse zu sabotieren. Doch in dem Moment, in dem wir die Schuhe ausziehen und barfuss über eine Wiese oder den Sand am Strand laufen, erinnern wir uns plötzlich daran, wie es sich anfühlt, wirklich mit der Erde verbunden zu sein. Vielleicht sollten wir den gierigen Schimpansen mit den Orangen an den Füssen nicht belächeln– vielleicht hat er einfach etwas begriffen, das wir längst vergessen haben.
Zurück zu unseren Wurzeln
Barfusslaufen ist mehr als nur eine nostalgische Rückkehr zu unseren Wurzeln. Es ist eine Möglichkeit, unseren Füssen und unserem Körper wieder die Freiheit zu geben, sich auf natürliche Weise zu bewegen. Unsere Vorfahren haben es Millionen von Jahren lang getan, und viele Menschen auf der Welt tun es noch immer. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir unsere Beziehung zu unseren Füssen und zum Boden unter ihnen überdenken.
Also, beim nächsten Mal, wenn du deine Füsse in die nächste stylische, aber ungemütliche Schuhfalle zwängst, denke an die Schimpansen, die Tarahumara und all die Menschen, die barfuss durch das Leben gehen. Vielleicht liegt darin ein Schlüssel zu mehr Wohlbefinden und einem natürlicheren Lebensstil. Und wer weisss, vielleicht lernst du dabei, wieder wie ein Kind zu laufen – frei, unbeschwert und in direkter Verbindung mit der Welt um dich herum.

Barfuss Training mit Alan Majsik
Herzlichen Glückwunsch, dass du es bis hierher geschafft hast – das zeigt echtes Interesse am Thema! Alles an Wissen, was ich hier über Barfussschuhe geschrieben habe und mir über die letzten Jahre angeeignet habe, verdanke ich Alan. Er hat mich in diese faszinierende Welt eingeführt und mich dazu inspiriert, mich intensiver mit Experten wie Daniel Lieberman und Persönlichkeiten wie Ido Portal und Joachim Hilderson auseinanderzusetzen, die sich intensiv mit Barfusslaufen und natürlicher Bewegung befassen.
In Alans Training sind Barfuss-Einheiten fest verankert: Du bekommst nicht nur die Möglichkeit, mehr über Barfussschuhe zu erfahren, sondern erlebst auch Übungen, die deine Fussmuskulatur und dein Gleichgewicht fördern. Durch Übungen auf Baumstämmen und Steinen wird der Untergrund auf eine spielerische Weise wieder spürbar, was uns die natürliche Bewegung und die Verbindung zum Boden neu wertschätzen lässt.
Literatur und Quellen
- Lieberman, D. E. (2011). The Barefoot Professor: By Running Barefoot, You Can Avoid Running-Related Injuries. Nature.
2. McDougall, C. (2009). Born to Run: A Hidden Tribe, Superathletes, and the Greatest Race the World Has Never Seen. Alfred A. Knopf.
3. VIVOBAREFOOT (2020). The Science Behind the Benefits of Barefoot. www.vivobarefoot.com
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